Ferdinand von Schirach
TERROR
Lars Koch, verheiratet, wohnhaft in Berlin, Major der Bundeswehr.
Die Anklageschrift legt dem Kampfflieger zur Last, „am 21. September 2015 um 20:21 Uhr mit Hilfe eines Luft-Luft-Lenkflug-körpergeschosses ein Passagierflugzeug des Flugzeugtyps Airbus A320-100/200, das sich im Auftrag der Deutschen Lufthansa von Berlin nach München befand, abgeschossen und damit die sich in dem Flugzeug befindlichen 164 Menschen getötet zu haben.“
Doch das ist nur die halbe Geschichte: zuvor hatte sich ein Terrorist der Maschine bemächtigt und drohte sie in der Münchner Allianz-Arena zum Absturz zu bringen, wo gerade 70.000 Menschen einem Fußballspiel zuschauten.
Der Prozess ist das Bühnenstück – mit dem Gerichtssaal als Theaterbühne. Und uns, den Zuschauern, dem Volk, als Schöffen. Wir müssen Partei sein, im Für oder Wider, und am Ende den Schuld- oder Freispruch verhängen. „Terror“ ist das Erfolgsstück dieser Spielzeit. Im Herbst 2015 erlebte es seine Uraufführung, mindestens 33 Theater werden es bis Mitte 2017 herausgebracht haben. „Terror“ sorgt für Furore, unter anderem deshalb, weil es sein Publikum spaltet; es schafft Mehrheiten und Minderheiten. Man kommt moralisch ins Dilemma.
So klar die Tatsachen sind, so diffus die Gegensätze von Recht und Moral, Schuld und Unschuld, von persönlicher Verantwortung, Befehlsgehorsam, gesundem Menschenverstand und Prinzip.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Der Kampfpilot: ,,Ich glaube nur, dass es richtig war, 164 Menschen zu töten, um 70.000 zu retten."
Staatsanwältin: „Unser Staat ist den größten Gefahren ausgesetzt, und die Welt um uns droht einzustürzen. Aber in dieser Situation gilt es nur umso mehr, dass wir uns auf die Prinzipien des Rechtsstaats verlassen.“
Der Verteidiger hält dagegen: "Wir sind im Krieg, wir haben ihn nicht gewollt, aber Kriege gibt es nun mal nicht ohne Opfer."
Ferdinand von Schirach hat für seinen Richter zwei Urteilsbegründungen verfasst. Beide Urteile haben dieselbe gedankliche Schönheit, beide halten sich klar an die bestehenden Gesetze, sind juristisch plausibel – sie heben sich gegenseitig auf.
Entscheiden Sie!
Letzte Vorstellung am: 16. September 2018 im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bremen, Domsheide
Mit: Bernd Asbrock, Christian Aumer, Franziska Mencz, Christian Kaiser, Martin Leßmann, Bianca Oostendorp, Julia Kinder
Regie: Christian Kaiser
Premiere 19. Mai 2016