Peter Hoeg
Fräulein Smillas Gespür für Schnee
Mein ganzes Leben habe ich mich darüber gewundert,
wie schlecht Dänen und Grönländer einander verstehen.
Das ist natürlich am schlimmsten für die Grönländer.
Es ist ungesund für den Seiltänzer,
wenn er von dem, der das Seil hält, missverstanden wird.
Smilla Jaspersen ist die Tochter einer Inuk und eines dänischen Arztes. Zerrissen zwischen ihrer grönländischen Herkunft und ihrem jetzigen Leben in Dänemark fristet Smilla Jaspersen als arbeitslose Mathematikerin und Gletschermorphologin ein isoliertes Dasein in einem Kopenhagener Wohnblock. Einzig zu Jesaya, einem Inuit-Junge im selben Haus, unterhält sie so etwas wie eine Beziehung.
Jesaya wäre fast gelungen.
Er hätte ankommen können.
Er hätte Dänemark aufnehmen
und sowohl-als-auch sein können.
Als Jesaya bei einem Sturz vom Dach des Hauses ums Leben kommt, ist sie die einzige, die hinterfragt, warum ein Junge mit Höhenangst überhaupt aufs Dach geht, und in den Spuren, die er im Schnee auf dem Dach hinterlässt, Anhaltspunkte dafür sieht, dass es sich keineswegs um einen Unfall handelt.
Verstehe. Es geht ja auch nur um einen Scheißgrönländer.
Während die Polizei den Fall bereits abgeschlossen hat, begibt sich Smilla auf die Suche nach Beweisen für ihre Behauptung und verstrickt sich, getrieben von ihrer Trauer, immer tiefer in ihre Spurensuche. So gerät sie immer mehr in die Schusslinie zunächst der dänischen Behörden, dann der Verantwortlichen, die hinter dem „Unfall“ stecken...
Mit:
Martina Flügge & Uwe Seidel
Regie/Bühne: Ralf Knapp
Kostüme: Bianca Oostendorp
Licht: Anke Thiessen
Bühnenbauten: Heiko Windrath
Regieassistenz: Leyla Bolzhauser/Lara Otten
Premiere: 6. März 2015 um 20.00 Uhr
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Buten & Binnen zu Gast im b.k.t.
Im bremer kriminal theater wird diese Spurensuche jetzt ganz dicht mit viel Komik und noch mehr Tragik erzählt. (Kreiszeitung)
Ein spartanisches, dennoch sehr effektives Bühnenbild, in dem sich eine fantastische Martina Flügge als Smilla Jaspersen auf die Suche nach der Wahrheit macht (Weser-Report)
und dies mit raspelstimmigem Timbre und charaktervoller Schauspielkunst glänzend löst (Weser-Kurier)
als enorm sympathische, tieftraurige, zerrissene Kratzbürste von überlegenem Intellekt. (taz)
An ihrer Seite spielt Uwe Seidel nicht weniger als neun verschiedene Rollen, allesamt großartig und spannend - oft mit nur einem Hutwechsel umgesetzt. (Weser-Report)
Dabei gelingen ihm ganz wunderbare Typenportraits, oft übergangslos, in Sekundenschnelle. (taz)
Dabei dem (schnee)weichen Fluss der Handlung mit Ernst und subtil gestreuten Verdachtsmomenten dienlich zu sein, ist sein vornehmstes Anliegen. Ganz gleich, ob er die Mütze eines betrunkenen Arbeitslosen oder die Brille des Staatsanwalts trägt - man folgt ihm gerne. (Weser-Kurier)
Nur zwei Personen? Das funktioniert in der Regie von Ralf Knapp tatsächlich ganz ausgezeichnet! (Weser-Kurier)
Freude an diesem seine Spannung komplex entwickelnden Theaterabend. (taz)
Peter Hoegs "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" in der Inszenierung des bremer kriminal theaters mausert sich zur erfolgreichsten Gastspielproduktion des Hauses, geradezu zum Exportschlager. Die Gastspiele in Eutin, Bad Elster, Bargteheide, Lünen erfreuten sich größter Beliebtheit und ließen allenthalben ein begeistertes Publikum zurück. Auch der jüngste Abstecher am letzten Februar-Wochenende mit zwei Vorstellungen im Wendland, genauer gesagt in Platenlaase, dem Heimatort der Freien Bühne Wendland, war ein durchschlagender Erfolg - wie sich in der Kritik, die uns von dort erreichte, eindrucksvoll dokumentiert:
Regisseur Ralf Knapp hat das Buch für das bremer kriminal theater inszeniert und damit einen echten Geniestreich abgeliefert: Die Bühne, eine Wand aus dünnem, weißem Papier, knisternde Verpackungsfolie auf dem Boden und zwei Schauspieler, Martina Flügge und Uwe Seidel. Eine Tonspur liefert atmosphärische Geräusche, Musikfetzen und manchmal Stimmen, das soll reichen?
Das reicht, und wie. Smilla, die geniale Wissenschaftlerin, die überall aneckt, fesselt vom ersten Bühnenmoment an das nicht ganz ausverkaufte Haus mit schierer Präsenz und wechselnder Körperspannung. Uwe Seidel spielt alle anderen Rollen, den schlicht gestrickten Mechaniker, einen Staatsanwalt, eine pensionierte Buchhalterin, einen zwielichtigen Schiffsmakler, Smillas Vater, Jesajas ständig betrunkene Mutter, einen blinden Sprachexperten. Alle diese Leute brechen plötzlich durch die Papierwand, sind auch mal nur ein Schattenriss, wechseln die Mütze und damit die Identität. (...)
Wir sitzen, hören, schauen und staunen, wir verfolgen Smillas Weg zum großen Geheimnis, zum Grund für dieses und andere Verbrechen. Wir erleben ihre Hilflosigkeit gegenüber mauernden Behörden und den miesen Strippenziehern im Hintergrund. Sie kämpft gegen ihre Angst, gegen das Schweigekartell, ja gegen die ganze Welt. Wo der Film auf Pyrotechnik und Action setzt, vertraut Regisseur Knapp auf die Kälte der Geschichte, die manchen im überheizten Saal frösteln lässt, und auf seine Schauspieler. Die brauchen nur eine Stange, das ist die Schiffsreeling, schon schwankt der Saal, und am Ende, wenn alles klarer wird, sich die Geheimnisse auflösen, dann sind wir tatsächlich mitten im Gletscher, im gar nicht mehr so ewigen Eis. Ein kleines Theater mit wenigen Mitteln produziert ganz großes Kino. Zwei Menschen erzählen in knapp zwei Stunden eine Geschichte, die den Saal in atemlose Spannung versetzt. Mehr ist es nicht, aber weniger auch nicht – eben ein Geniestreich.